Dietzenbach im Jahre 1904
Die Landwirtschaft als Haupterwerbszweig dominierte das Bild und die Gemarkung unseres Dorfes. Daneben verdienten sich sehr viele Menschen ihren Lebensunterhalt in der Industrie als Fabrikarbeiter.
Das Deutsche Reich wurde regiert von Kaiser Wilhelm II. und die regionalen Entscheidungen wurden von Großherzog Ernst Ludwig vorgegeben, der in Darmstadt residierte.
In diesem Jahr fanden sich 18 Männer zusammen, unter ihnen Bürgermeister Georg Heberer XII. und gründeten 1904 im Gasthof „Zum Milchhof“ den Obst- und Gartenbauverein Dietzenbach.
Der Gasthof befand sich in der Nähe des heutigen Stadtzentrums, konkret an der Offenbacher Straße.
Er war ein beliebter Treffpunkt in Dietzenbach und prägte lange Zeit das soziale und gastronomische Leben der Stadt.
Sie wählten Georg Lenhardt, einen gebürtigen „Götzehaaner“ und Lehrer an der Dietzenbacher Schule zum 1. Vorsitzenden.
Gründung
Am 26. März 1904 wurde im Gasthof „Zum Milchhof“ der Obst- und Gartenbauverein Dietzenbach gegründet.
Gründer:
Georg Lehnhardt (Lehrer)
Georg Martin Eckert I. (Landwirt)
Johann Ph. Gaubatz I. (Wiegemeister)
Georg Heberer XII. (Landwirt)
Christian Kern II. (Landwirt)
Georg Ph. Kühn (Landwirt)
Heinrich Lehr I. (Landwirt)
Georg Ph. Steinheimer (Wagenbauermeister)
Heinrich Wälz II. (Schreinermeister)
Adam Wolf IV. (Postsekretär)
Jakob Wolf (Baumwart)
Georg Ph. Berz (Glasermeister)
Heinrich W. Eckert (Landwirt)
Christian Heberer (Fabrikarbeiter)
Heinrich Heberer X. (Landwirt)
Ludwig Krapp (Bäckermeister)
Heinrich Kunz (Landwirt)
Nikolaus Lehr IX. (Landwirt)
Beweggründe
Obwohl fast die Hälfte der Gründungsmitglieder Landwirte waren, bestand eigentlich für diesen Berufsstand keine Notwendigkeit einer Mitgliedschaft im OGV. Die Beweggründe für diesen Schritt könnten das Fachwissen, die Weiterbildung und die praxisbezogene Unterweisung im OGV gewesen sein.
Die Nachfahren des damaligen Baumwartes, Jakob Wolf, leben heute noch im restaurierten Baumwarthaus (Bahnhofstraße 15).
Aufgabe des vom Großherzog eingesetzten Baumwartes war es, die Bäume an der alten Offenbacher Chaussee, der Offenthaler Chaussee und der Frankfurter Chaussee zu pflegen und wenn nötig, neue zu setzen. Gleichzeitig verkaufte er Bäume an die Bevölkerung des Dorfes und jeder Bewohner konnte bei ihm, wenn die Erntezeit gekommen war, „Chaussee Äppel“ ersteigern oder kaufen.



Der Volksmund sagt zwar, dass es Menschen mit dem berühmten „grünen Daumen“ gibt. Die Fachleute wissen allerdings, dass natürlich nichts über fundiertes Fachwissen auf den Gebieten der Aussaat, der Bepflanzung, der Bodenbearbeitung, der Vermehrung der Pflanzen sowie der Beschneidung von Obstbäumen und Sträuchern gibt.
Diese Kenntnisse erlangt man halt in einem Verein – unter Gleichgesinnten mit Erfahrung im Obst- und Gartenbau.
Da es kaum möglich war, Dokumente aus der damaligen Zeit zu finden, können die heutigen Mitglieder des OGV nur aus den Erzählungen derjenigen Männer und Frauen etwas über die frühen Jahre erfahren, die seinerzeit die Kinder oder die Enkel der Gründerväter und deren Nachfolger waren.
Hauptgründe für die Gründung des OGV konnte zum einen das gemeinsame Interesse am Obstanbau und der Veredlung
von Obst, zum anderen die Weitergabe und das gegenseitige Lernen von individuellem Fachwissen um den Anbau von Gemüse.
In der ersten Hälfte der 100-jährigen Geschichte des OGV beschränkte man sich darauf, die Kenntnisse auszutauschen und im Rahmen von Schnitt- und Anbaulehrgängen das Wissen der Mitglieder zu erweitern.
Bücher, Urkunden, Protokolle und andere Schriftstücke sind in den Wirren beider Weltkriege verloren gegangen.
Auch legten unsere Vorgänger keinen großen Wert auf die Dokumentation ihrer Tätigkeiten – man kannte sich sowieso und in der Gemeinde wusste jeder um die Leistungen und Fähigkeiten der anderen.
Natürlich war der OGV nicht der Vorreiter der Kleingarten-Idee. Die Gedanken des Herrn Dr. Schreber wurden bereits 1850 in den Städten unseres Landes in die Tat umgesetzt.
Man legte kleine Wirtschaftsgärten außerhalb der Wohngebiete an und nannte sie nach dem Urheber „Schreber-Gärten“. In ländlichen Gebieten – wie bei uns – hatte man allerdings nur Bauerngärten mit Gemüsebeeten, Obstbäumen und Sträuchern, meist in unmittelbarer Nähe des Hauses.
Der erste eigene Lehrgarten wurde nach dem 2. Weltkrieg installiert und befand sich bis in die Mitte der 70er Jahre dort, wo heute das Friedhofserweiterungsgelände und die Kreisquerverbindung parallel laufen. Die Bäume waren damals fast durchweg Hochstämme, das uns heute bekannte Spalierobst kam erst nach und nach in Mode und war damals kaum verbreitet. Hinzu kamen auch Rebenschnittlehrgänge, die ein Winzermeister im eigenen Wingert an der heutigen Darmstädter Straße (der „Grad Gass“) organisierte.